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Panch Dhuni - über die fünf Feuer

Eine bestimmte Gruppe asketischen Idealen anhängender Yogis pflegt den Brauch, sich inmitten eines von fünf großen Feuern gesäumten Kreises der Meditation zu widmen - und das in einem Land, wo die Temperaturen bis zu fünfzig Grad erreichen! Diese Tapasya[1] halten sie für eine große Leistung. Führer einer solchen Gruppierung von Yogis war Sri Janikdasji, ein überheblicher Mann und von der Idee besessen, Askese und Härte gegen sich selbst seien der beste und einzig echte Weg zu Gott. Als er mit seiner Truppe Mahaprabhuji einmal einen Besuch abstattete, gedachte er auch ihn von seinem Weg zu überzeugen und sprach in herrischem Ton:

"Schau auf uns! Wir sind wahre Asketen, die der Welt entsagt haben. Inmitten der Panch Dhuni[2] vollbringen wir harte Bußübungen - auch Du solltest, unserem Beispiel folgend, diese Tapasya üben, anstatt auf einer bequemen Liegestatt, im Kreise Deiner Schüler weilend, nutzlose Reden zu veranstalten!"

Mahaprabhuji lächelte angesichts der fehlgeleiteten Sadhus und sang für sie folgenden Bhajan:

KYA TUM DHUNI SILGAVE

Oh ihr Yogis, wozu errichtet ihr Feuerstellen
in den Bergen und im Dschungel?
Mein Feuer brennt ohne Holz, sein Rauch ist unsichtbar.
In seiner Mitte fließt der Ganges, in dem die Yogis baden.
Der unendliche Klang ihres Gesanges ist erfüllt
von himmlischer Harmonie.
Suchst du diese Yogis, kannst du sie nicht finden
- und doch sind sie ganz nah.
Sie wohnen in jedem Herzen - und sind trotzdem weit entfernt.
Unbeschreiblich, rein, unsterblich,
frei vom Kreislauf der Wiedergeburten,
die sechs Chakras überschreitend, verharren sie in Siddhasan[3].
Mahaprabhuji sagt: Nur wenige finden dieses Feuer.
 

Die Sadhus hörten aufmerksam zu und baten Mahaprabhuji um eine Erklärung des Bhajans.

"Das Feuer, von dem ich euch sang, ist das ewige Licht des Lebens, das in jedem Herzen seine Wohnstatt hat. Es kennt keinen Bedarf an Holz oder anderem Brennstoff. Der Fluß Ganges im Feuer verweist einerseits auf die Nadis[4], die - durch die Techniken des Yoga erweckt - das Bewußtsein in den Zustand der Meditation führen, und symbolisiert andererseits den Fluß der Liebe.

In der Meditation erfahrt ihr das Göttliche Selbst, das ewig und unendlich ist. Obwohl es in euch stets gegenwärtig ist, erscheint es euch fern und schwer zu erreichen. Nur durch Aufgabe des Ego könnt ihr es zur Entfaltung bringen. Indem ihr euch in Meditation läutert, erlangt ihr Befreiung von Tod und Geburt. Dies geschieht, wenn ihr die in den Chakras schlummernden Kräfte zu erwecken versteht."

Die Überheblichkeit der Sadhus war wie hinweggefegt. Andächtig hörten sie zu, als Mahaprabhuji fortfuhr:

"Yogis! Wo der Geist ununterbrochen mit dem Höchsten in Verbindung steht, da ist Feuer, da ist Meditation![5] Die sich an diesem Feuer wärmen, verbrennen all ihre Karmas. Ein von Holz genährtes Feuer kann bloß das Kältegefühl im Körper vertreiben; das geistige Feuer der Meditation hingegen entfernt aus der Seele den Frost der Unwissenheit."

Demütig baten die Sadhus nun Mahaprabhuji:

"Barmherziger Meister, so sage uns doch bitte, wie wir dieses Feuer finden können."

Da lehrte Mahaprabhuji sie, das innere, geistige Feuer zu erwecken:

"Um dieses Feuer zu finden, verschließt die zehn Türen[6] und richtet den Blick nach innen. In von SO HAM[7] vereinigen sich Prana und Apana[8] und eröffnen den inneren Raum.

So tretet ihr in Samadhi[9] ein. Hier ist das Feuer.

In diesem Zustand ist die Seele glücklich wie die des Kindes, das sich nach langer Trennung wieder mit der Mutter vereint, und das Selbst wird durchströmt vom göttlichen Bewußtsein. Indem sich Prana und Apana im Manipur Chakra[10] vereinen, erwacht die Kraft der Kundalini[11]. Im Agya Chakra[12] erscheint ein silberhelles Licht, leuchtend wie der Vollmond am Firmament. Der tausendblättrige Lotus, Sitz des wahren Selbst[13], öffnet sich in seiner ganzen glänzenden Pracht. Wer dorthin kommt, in Turiya[14], ist allwissend - Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges enthüllen sich ihm. Er erfährt Purusha[15], das wahre Selbst, das Überbewußtsein.  Dies wird ihm durch den Segen des Meisters zuteil, der ihn zur Erkenntnis der Vollkommenheit führt."

In tiefer Ergriffenheit sagten die Sadhus zu Mahaprabhuji:

"Heiliger Meister, durch die Begegnung mit Dir haben wir den Schlüssel zum Sinn unseres Lebens erhalten. Um jenes Wissens willen, das uns heute aus Deinem Munde zuteil wurde, sind wir Sadhus geworden. Bis zum heutigen Tage war es uns jedoch versagt. Niemand wies uns auf dies innere Feuer hin, weshalb wir in unserer Unwissenheit glaubten, die Kraft im äußeren Feuer zu finden."

Dankbar und vom Segen Mahaprabhujis erhoben, verließen sie den Ashram, mit dem größten Geschenk, das ein Mensch erhalten kann: mit wahrer Erkenntnis, die zur Erleuchtung führt.

 


[1]Tapasya = asketische Übung

[2]Panch = fünf, Dhuni = Feuerplatz

[3]Siddhasana = "vollkommener Sitz", Sitzhaltung in der Meditation.

[4]Nadis = Energiebahnen im Körper, Nervenbahnen; Die drei grundlegenden Nadis sind:
Ida (dem Mond zugeordnetes System), Pingala (der Sonne zugeordnetes System) und Sushumna (Zentraler Nerven¬¬strang). Die entsprechenden physiologischen Funktionen sind: Sympathikus, Para¬sympathikus und Zentralnervensystem.

[5]In der nahen Verwandtschaft der Sanskrit-Wörter für Feuerstelle=Dhuni und Meditation= Dhyana erkennen wir deren enge Zugehörigkeit zueinander.

[6]Die zehn Türen des Körpers sind: Augen, Ohren, Nase und Ausscheidungsorgane, sowie das Sahasrar-Chakra am Scheitel des Kopfes.

[7]SO HAM = Ich bin Das - "Ich bin das Göttliche Selbst"

[8]Prana = aufsteigende Energie, auch: Einatmung
Apana = absteigende Energie, auch: Austamung

[9]Samadhi = Zustand des höchsten Bewußtseins, in dem Wissen, Wissender und Gegenstand des Wissens zu Einheit gelangen

[10]Manipur Chakra = Drittes Chakra, Nabelzentrum, auch Nabellotus genannt

[11]Kundalini = wörtlich: "Schlange"; spirituelle Energie der Chakras, deren vollkommene Erwek-kung zur Vereinigung des individuellen mit dem göttlichen Bewußtsein führt.

[12]Agya Chakra = Sechstes Chakra, Augenbrauenzentrum

[13]Sahasrar Chakra: höchstes Zentrum am Scheitel des Kopfes

[14]Turiya = "über der Dreiheit", d. h. über den drei zeitlichen Dimensionen (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) stehend, entspricht Samadhi

[15]Purusha = Seele, göttliches Lebensprinzip

 

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