Sri Devpurijis Gnade
Während eines Satsangs, bei dem zahlreiche Ergebene anwesend waren, deren Gebete und Lieder weithin ertönten, war plötzlich ein Pferd zu sehen, daß sich dem Ashram in vollem Galopp näherte. Doch war auf seinem Rücken kein Reiter ausfindig zu machen, nur ein blankes Schwert glänzte in der Sonne. Die Schüler fragten sich überrascht, was das bedeuten solle, und Mahaprabhuji erklärte ihnen:
"Dies ist ein Signal meines Guru Sri Devpuriji. Geht zur Seite und macht ihm Platz!"
Sogleich erschien Yogiraj Sri Devpuriji Mahadeva vor dem Ashram und rief mit dem Anschein äußerster Strenge:
"Deep! Was für eine Maya hast Du hier verbreitet? Ich komme, sie aufzulösen!"
Er entfernte das Banyanblatt, das Mahaprabhuji in den Sand gelegt hatte. Danach hieß er, alle Decken, Polster, Musikinstrumente, Bücher und den gesamten Hausrat des Ashrams im Hof zu einem hohen Stoß auftürmen und zündete ihn an. All die erschrockenen Schüler hielten sich vor Sri Devpuriji versteckt,lediglich Mahaprabhuji war ganz ruhig geblieben. Da wagte sich einer seiner nahen Schüler, Sri Nathulal Meghwal, hervor und sprach Sri Devpuriji demütig an:
"Mahadeva! Warum zerstörst Du unsere Instrumente, mit denen wir beim Satsang Deinem Namen huldigen? Wie sollen wir nun fortan den Satsang begehen?"
Ganz ohne Strenge, ja mit großer Gnade und Milde erwiderte Sri Devpuriji:
"Nicht zerstört habe ich diese Instrumente. Ich sandte sie ins Deva Loka zu Gott Indra und seinen himmlischen Gefährten. Denn auch sie preisen Sri Vishwa Deep, das Licht des Universums. Macht euch keine Sorgen! Alles werdet ihr zurück erhalten, und viel mehr noch als das."
Nun ließ er sich aus dem Ashram die Geldreserve bringen, die einige Silbermünzen betrug. Er hieb jede der Münzen mit seinem Schwert in vier Teile und verstreute diese rund um den Ashram in die vier Winde. "Diese Münzen säe ich für die Schüler von Sri Deep aus, so daß keiner seiner Ergebenen jemals unter Armut leiden wird."
Dann ließ sich Sri Devpuriji nieder; Mahaprabhuji trat vor seinen Meister hin und verbeugte sich demütig vor ihm. Er faltete die Hände, um das folgende Gebet zu sprechen:
AP TUM DAYA KARO GURUDEVA JI
Gurudeva, Herr des Kailash, sei uns gnädig!
Wir verbeugen unser Haupt vor Dir.
Als Deine Ergebenen suchen wir bei Dir Schutz -
errette uns aus dem Meer der Welt.
Du bist unbeschreiblich, ewig und vollkommen,
befreie uns von allen Zweifeln und Karmas.
Dein göttlicher Glanz zeigt uns den wahren Weg.
Gott Shiva, Dein Göttliches Spiel ist unendlich.
Keiner kann es ergründen. Du bist Ursprung dieses Spieles.
Ewig und allumfassend ist dieses;
das ganze Universum ist darin enthalten -
denn Du lebst in allem, oh Herr, ohne Ursache,
an nichts gebunden, durch nichts bedingt.
Wie die Sterne im Wasser, so glänzst Du in jedem Herz
und läßt uns unser wahres Selbst erkennen.
Deine Gnade ist grenzenlos, oh Herr, beschütze uns immerdar!
Die Weisheit Deiner Worte ist unendlich
und befreit uns von Dualismus.
Du bist der Sieger über die Indriyas.
Deine Größe und Barmherzigkeit sind unbeschreiblich;
Vor Dir sind alle gleich, für Dich sind alle Eines.
Manchmal sitzst Du schweigend, zurückgezogen in Dich selbst.
Die Begegnung mit Dir ist der Weg zu Moksha.
Du bist völlig unabhängig und frei - ohne Anhänglichkeit;
Du bist die Essenz der Reinheit - wie Sattva Guna;
Du befreist uns von Ego und Stolz.
Ich begegnete Sri Devpuriji, meinem Satguru,
er erweckte in mir den Klang von SOHAM.
Dein ergebener Swami Deep Hari preist Dich, oh Herr -
der Du uns mit Turiya[1] verbindest.
OM NITYA SUDHAM NIRABHASHAM
NIRAKARAM NIRANJANAM[2]
Ich verbeuge mich vor meinem Satguru.
Er ist OM - ewig, makellos, vollkommen,
unveränderliche Wirklichkeit, immerwährende Seligkeit -
Er ist Brahman.
Er durchdringt den ganzen Kosmos,
die unbelebte und belebte Schöpfung.
Vor ihm, der mir Brahman enthüllte -
vor Gurudeva verbeuge ich mich.
Vor ihm, der reines Bewußtsein ist,
jenseits von Raum und Zeit,
jenseits von Geburt und Tod,
jenseits aller Dualität -
vor Gurudeva verbeuge ich mich.
Vor ihm, der durch seine Gnade
die Ergebenen von den Bürden der Welt befreit,
vor ihm, der Sat Chit Ananda[3] ist -
vor Gurudeva verbeuge ich mich.
Sodann verneigte Mahaprabhuji sich nochmals vor Sri Devpuriji, der gütig zu ihm sprach:
"Oh Vishwa Deep! In ihrer Unwissenheit erfassen die Menschen das Unbegreifliche meines Göttlichen Spieles nicht."
Da antwortete Mahaprabhuji:
"Gott Shiva selbst bist Du. Keine der heiligen Schriften - auch die Veden nicht - vermögen Deine Größe zu beschreiben. Das einzige, was sie über Dich sagen können, ist: 'Neti, neti ...'[4]. Ohne Deine Gnade kann niemand Dich erkennen. Sagte doch einst ein Dichter: 'Ängstige dich niemals vor dem Zorn eines Heiligen, denn er ist wie die Wolke, die den lebenspendenden Regen bringt.' Dein Zorn gleicht dem Feuer; doch zerstört er nur das Schlechte im Menschen."
Als Sri Devpuriji wieder sein Pferd bestieg und den Ashram verließ, standen die Schüler vor den verkohlten Resten der Einrichtung und waren ratlos, wie sie ohne die Werkzeuge des täglichen Gebrauchs den Ashram weiter führen sollten, insbesondere wo ja auch kein Geld mehr vorhanden war. Mahaprabhuji sah ihre Verzweiflung und sprach beruhigend:
"Macht euch keine Sorgen. In kurzer Zeit werden wir alles wieder zurückbekommen."
Da hörten sie auch schon Motorengeräusch, und ein Lastwagen, beladen mit Hausrat, hielt vor dem Ashram. Der Fahrer stieg aus, verbeugte sich vor Mahaprabhuji und bat ihn, die mitgebrachten Güter als Spende anzunehmen. Die Schüler aber waren sprachlos vor Staunen. Auch kannte niemand den Mann oder wußte, woher er gekommen war. Sie luden den Lastwagen ab und brachten alles zu Mahaprabhuji. Überglücklich priesen sie den Namen Gurudevas.
Diese Geschichte wurde nocheinmal erzählt von Swamiji im Satsang im Dungog Ashram, Australien im Jänner 2010
[1]Turiya = "über der Dreiheit", höchster Bewußtseinszustand; Einswerdung von Wissen, Wissendem und Gegenstand des Wissens; Schau der drei zeitlichen Dimensionen (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft).
[2]Aus der Guru-Gita
[3]Sat = Wahrheit, Chitta = Bewußtsein, Ananda = Glückseligkeit
[4]"Neti, neti ..." = (Gott ist) nicht dieses, nicht jenes; Sein Wesen entzieht sich jeglicher Definition. Die einzige mögliche Aussage in Bezug auf Gott besteht also im Ausschluß des auf Ihn nicht Zutreffenden. In diesem Sinn ist die Macht des Intellekts daher auf die Verneinung beschränkt, denn: Das Begrenzte kann nicht das Unbegrenzte, das Veränderliche nicht das Unveränderliche fassen.
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