Mahaprabhujis Kindheit
Das göttliche Kind wuchs heran, blühte auf wie eine Lotusknospe und entfaltete sein Licht wie der zunehmende Mond - zur Freude seiner Eltern und aller Dorfbewohner, die seine Kinderspiele mit den Spielen Sri Krishnas in Vrindaban zu vergleichen pflegten. Wie Gott Krishna war auch Mahaprabhuji ein lebhaftes und fröhliches Kind. Alle Menschen liebten ihn, und seine Ausstrahlung war von so lichter, freudenspendender Art, daß die Dorfleute keinen Tag vergehen lassen mochten, ohne ihn besucht zu haben. War er doch auch anders als die anderen Kinder: nie weinte er, sein Gesicht war stets von einem glücklichen Lächeln erhellt. Noch bevor er sprechen konnte, sang er in ganz wunderbarer Weise das heilige Mantra OM, und alle, die es hörten, waren tief berührt.
Jeder liebte es, den süßen Klang OM aus seinem kindlichen Mund zu hören und seine Eltern, aber auch all die anderen wünschten, er möge mit dieser die Herzen ergreifenden Stimme nun auch zu ihnen sprechen. Als wiederum das Shivaratri-Fest herankam, an dem Gott Shiva die Bitten seiner Ergebenen stets zu erfüllen bereit ist, beschlossen die Eltern, um die Erfüllung dieses Wunsches zu beten. Sie beteten also zu Gott Shiva für das Wohlergehen ihres Sohnes und darum, daß er diesem die Fähigkeit zu sprechen schenken möge. Da glitten zwei weiße Rosen von dem Shiva-Lingam, dem geheiligten Symbol des Gottes, herab vor die Füße der Eltern - als Zeichen der Erhörung ihrer Bitten. Und fünf weitere Rosen fielen zu Mahaprabhujis Füßen. Von diesem Augenblick an konnte er sprechen, obwohl er erst fünfzehn Monate zählte.
Mahaprabhuji blickte zum Bildnis Gott Shivas auf und sang OM. Mehr als eine Stunde lang sang er dieses heilige Mantra - dann sprach er zu den Anwesenden:
"SO HAM" - Das bin Ich."
"BRAHMA SATYA JAGAT MITHYA"
Gott ist die Wahrheit, die Welt ist Unwirklichkeit.
"Die Welt ist nur ein verworrenes Traumgebilde, der Vergänglichkeit unterworfen und voller Leid. Obwohl scheinbar wirklich, ist sie Unwirklichkeit. Diese Unwirklichkeit oder Unwissenheit ist das Spiel der Maya - der Kraft der Illusion. Die Welt ist nichts anderes als eine Idee, ein Gedanke. Nichts gehört dir. Halte fest an der Wahrheit und besinne dich auf Gott!
In Wahrheit ist der Mensch rein geistiger Natur. Lediglich aus Unwissenheit hält er die sterbliche physische Existenz für das Wirkliche und fällt dadurch dem Kreislauf von Sünde und Tugend, Schmerz und Freude, Geburt und Tod anheim. Die Welt ist wie ein Gefängnis - viel Leid erdulden die darin gefangenen Seelen! Nur der Satguru - der wahre Meister - kann sie aus dieser Knechtschaft befreien.
Ich bin das Licht des Kosmos, der ewige, wahre Meister. Ich bin der vollkommene, ungebundene, ursprüngliche Brahman. In Gestalt bin Ich und zugleich gestaltlos.
Alle werden sie letztendlich das Licht des Universums erlangen, die wahrhaft Suchenden und spirituell Strebenden, welchen Weg auch immer sie gehen mögen. In diesem Licht ist das Wissen über die Wahrheit enthüllt. Dieses Licht bin Ich.
Durch Mich allein erfahren die Ergebenen Gottes Selbstverwirklichung. Ohne Anfang bin Ich, ungeboren und ewig, der reine, unveränderte Zeuge aller Existenz, allwissend und jenseits der Maya. Diese Maya, welcher Macht über alle Lebewesen eignet, ist Mir untertan. In jedem Zeitalter erscheine Ich, um meinen Ergebenen bei der Überquerung des Ozeans der Welt zu helfen.
Ich kenne alle, aber niemand hat Kenntnis über Mich, denn Ich bin jenseits von Verstand und Sprache, Natur und Anhaftung. Über all diesem stehe Ich - über den drei Gunas[1], den fünf Tattvas[2] und ihren fünfundzwanzig Erscheinungsformen[3].
Ich bin der Ursprung, der Quell allen Wissens. Mich zu erkennen ist denn auch das höchste Wissen, welches die Wesen aus der Unwirklichkeit löst und befreit. Die Erschaffung des Weltalls ist für Mich einem Kinderspiele gleich.
Ich bin das immer Neue, wie das Kind, und in meiner Allmacht ewig jung. Indem vor Mir nichts war, bin Ich zugleich der Älteste unter allen - weshalb Ich oft in der Gestalt eines weisen Alten erscheine.
Jene Bhaktas, die allen weltlichen Gedanken, allen Vergnügungen und Wünschen der Maya entsagen, wenden sich Mir zu, meditieren über Mich und richten ihren Geist nur auf Mich. Ich befreie sie von allen Karmas und schenke ihnen Moksha - Erlösung von Tod und Wiedergeburt. Indem sie nur denken an Mich, erfahren bereits sie größte Wonne, vollkommenen Frieden und höchste Verwirklichung. Und im Ende vereinigen sie sich mit dem Höchsten Selbst - mit Mir.
Ihr, große Seelen, die ihr als Meine Eltern inkarniertet, erkennt Mich in euch selbst."
Wie sie ihren Sohn so sprechen hörten, wurden Mahaprabhujis Eltern von der Glückseligkeit des Brahman erfüllt. Sie blickten in ihre Herzen und erschauten darin Mahaprabhuji und in Ihm das gesamte Universum: Entstehung, Erhaltung und Untergang der drei Welte[4] . Sie sahen Ihn in unzähligen Formen und Gestalten, und ihr Erlebnis war jenes der Mutter Jashoda, indem ihr Krishna in Seinem Mund den ganzen Kosmos zeigte, wie auch jenes von dessen Schüler Arjuna, als Er sich diesem in Seiner kosmischen Form offenbarte.
Staunend und von unermeßlicher Freude erfüllt, waren sie in die Betrachtung Seiner wunderbaren göttlichen Erscheinung versunken. Sodann verneigten sie sich ehrfurchtsvoll vor Ihm und bekannten tief ergriffen:
"Heute fand unser Leben seine Erfüllung. Wir haben Gott mit eigenen Augen gesehen!"
Hierauf antwortete Mahaprabhuji:
"Im Satya Yuga habt ihr beide durch spirituelle Askese und Gebet um die Gnade gebeten, daß Ich als euer Sohn inkarnieren und euch durch die Offenbarung des höchsten Wissens über Atma und Paramatma Gottverwirklichung gewähren möge. Wie Ich es damals versprach, so hat es sich heute erfüllt."
Die göttlichen Worte aus Mahaprabhujis Mund waren ein Segen für die ganze Menschheit und durchfluteten alle Ebenen des Kosmos mit Liebe und Licht. Solches Wissen - letzte, unumstößliche Gewißheit - wird nur jenen großen Seelen offenbar, die das universelle Bewußtsein in sich zu erwecken vermochten. Gewöhnlichen Menschen, die noch in der Traumwelt der Unwissenheit befangen sind, bleibt das göttliche Geheimnis verborgen.
Mahaprabhujis Worte waren ein Segen für alle Siddhas, Devas, Rishis, Munis[5] und die Wesen der astralen Welten. Als sie die himmlische Stimme von Vishwa Deep - Gottes in menschlicher Gestalt - vernahmen, erfuhren sie tiefe innere Erfüllung; es war, als hätten sie den Lohn für all ihre guten Karmas aus unzähligen Leben erhalten.
Wohin auch Sri Mahaprabhuji - die Inkarnation des Höchsten Selbst - seine Worte und seinen Blick lenkt, dorthin strömen unendliche Gnade und Seligkeit. Alle Unreinheit wird getilgt und die mit schweren Karmas Beladenen werden aus der Nächten des Leids ins Licht emporgehoben und befreit. Es bedeutet unsagbare Gnade, den Segen seiner ewigen, allseligen Anwesenheit zu empfangen. Wer seinen Namen singt, wird von unermeßlicher Freude durchdrungen. Mahaprabhuji ist die Verkörperung höchster Wonne und Seligkeit (Brahmananda). In einem Bhajan[6] singt sein Schüler Swami Lalananda:
DHARM HIT AVATAR SATAGURU MANVE TAN DHARIYA
Mahaprabhuji, der Satguru, stieg zur Erde herab
und nahm menschliche Gestalt an, um das Dharma[7] wiederherzustellen.
Für seine Inkarnation wählte er den gesegneten Ort
Hari Vasani bei Khatu im Land Marudhar[8].
Er ist das Höchste Selbst, der vollkommene Meister,
der die Erde von der Last unzähliger Sünden befreit.
Er verkündete die Verse der Veden,
die 108 Upanishaden und alle heiligen Mantras.
Er wurde zur bedeutungsvollen Stunde der Morgendämmerung
im Haus von Chandan Deviji, der Heiligen Mutter, geboren.
Er ist Vishnu, der auf Sheshanag - der Schlange der Ewigkeit - ruht.
Ihm zur Seite ist Gott Shiva.
Seinen Ergebenen offenbart er das Wissen,
daß der Name des Satguru die Essenz allen Lebens ist.
Gott Haris Ergebener, Sri Udai Puriji ist sein Vater.
Mahaprabhuji ist die göttliche Inkarnation des vierten Zeitalters.
Könige, Gandharvas und die himmlische Sorda[9] künden
seinen Ruhm.
Gepriesen sei die Stadt, das Land und die Erde,
wo der Herr geboren ward.
Unzählige Ergebene hat Mahaprabhuji von weltlichem Leid befreit.
Lalananda, sein ergebener Schüler, bittet nun um seine Gnade.
[1]Guna = Eigenschaft, Qualität; die drei Gunas sind: Sattva (Reinheit, Harmonie) Rajas (Aggression, Aktivität), Tamas (Trägheit, Dunkelheit)
[2]Tattva = Element oder Prinzip; die fünf Tattvas sind: Prithvi (Erde), Jal (Wasser) Tejas (Feuer), Vayu (Luft) und Akasha (Raum)
[3]Durch die Verbindung von jeweils zwei der fünf Tattvas miteinander entstehen die fünfund-zwanzig Erscheinungsformen der Elemente. Siehe das Buch von Paramhans Swami Maheshwarananda "Die verborgenen Kräfte im Menschen".
[4]Mritiu-Loka ("Sterbliche Welt", Erde), Vaikuntha ("Himmel"), Naraka ("Hölle")
[5]Siddha = mit übernatürlichen Kräften (Siddhis) Ausgestatteter, Devas = Götter, Rishis = Meister des spirituellen Wissens, Munis = Weise
[6]Bhajan = spirituelles Lied
[7]Dharma = Religion, Aufgabe, Pflicht
[8]Marudhar = anderer Name für Rajasthan
[9]Gandharvas = Engel, Sorda = Göttin der Weisheit
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Übersicht: Die Inkarnation des Göttlichen Selbst OM VISHWA DEEP in Gestalt von Sri Mahaprabhuji