Die Schlangenbeschwörer
Wie jedermann bekannt ist, gibt es in Indien zahlreiche Schlangenbeschwörer. Sie reisen von einem Ort zum anderen, schlagen überall ihre Zeltlager auf und stellen so ihre Kunstfertigkeit in den verschiedenen Ortschaften der Umgebung zur Schau. Ihre Kunststücke sind sorgfältig einstudiert, und die in hohem Maße erworbene Geschicklichkeit beim Fangen und Abrichten der Schlangen bewahrt sie vor deren tödlichem Biß.
Wie in eigentlich allen Berufsständen finden sich unter den Schlangenbeschwörern zwar viele ehrbare und weise Menschen, aber auch Betrüger und Scharlatane. Eine Gruppe letzterer Art wurde nun geleitet von einem, der seine ganze Energie darauf konzentrierte, negative Kräfte in sich zu entwickeln, und der zugleich die Fähigkeit besaß, kraft seines hypnotischen Blickes Menschen bewußtlos zu machen. Die bevorzugten Opfer dieses Anführers waren Sadhus und Swamis. Dieser hörte von Sri Devpuriji und wurde aufgrund einiger Erzählungen über dessen Tiergemeinschaft - darunter eben auch Schlangen - begierig, mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Also sandte er zwei seiner Schlangenbeschwörer zu ihm, auf daß diese auskundschaften sollten, von welcher Art dieser Yogi sei.
"Wir sind gekommen, Dir unsere bescheidenen Künste vorzuführen", gaben sie gegenüber Sri Devpuriji schmeichlerisch vor. Dieser freilich kannte ihre tatsächlichen Beweggründe, ließ sich aber nichts anmerken. So begannen die beiden Männer mit dem magischen Flötenspiel - die Schlangen jedoch waren dadurch in keiner Weise anzuregen und rührten sich nicht. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, wandten sich die Gauner an Sri Devpuriji und warfen ihm verärgert vor:
"Du hast die Schlangen verhext! Na ja, warte nur, Dein Zauber mag vielleicht bei uns wirken, doch nicht bei unserem Meister, der viel mächtiger ist als wir. Du wärst für ihn kein schwerer Gegner."
"Euer Meister interessiert mich sehr", antwortete Sri Devpuriji. "Führt mich zu ihm."
Sie geleiteten ihn zu ihrem Zeltlager, wo ein Kräftemessen zwischen Sri Devpuriji und dem Meister der Schlangenbeschwörer stattfinden sollte. Die Zugehörigen der fahrenden Truppe standen im Kreis um sie herum und beobachteten beide mit großer Spannung. Der Schlangenbeschwörer lenkte alle seine Kraft in seine Augen und fixierte den göttlichen Meister. Doch vergeblich bemühte er sich, ihn zu bezwingen wie so viele andere zuvor. Er starrte ihn lange an - und nichts geschah. Schließlich aber gab Sri Devpuriji für einen Moment den Blick des Schlangenbeschwörers in gleicher Weise zurück, und unvermittelt brach dieser bewußtlos zusammen. Der göttliche Meister blickte in die betroffenen Gesichter der Umstehenden. Dann sprach er zu dem Besiegten: "Steh auf und höre!"
Dieser erhob sich und schaute voll Ehrfurcht zu Sri Devpuriji.
"Soeben bewies ich dir, daß deine Kräfte nicht so groß sind, wie du meintest. In deinem eigenen Lager vor den Augen deiner Leute besiegte ich dich - und dies nicht etwa, um meine Kraft zur Schau zu stellen, sondern um dir in deiner Unwissenheit und deinem eitlen Stolz eine Lehre zu erteilen. In deiner Einbildung hast du dich zur höchsten Autorität erklärt. Dies ist einer der umfassendsten Fehler, den ein Mensch machen kann; denn damit stelltest du dich unter die Tyrannei deines Ego und wurdest selbst zu einem kleinlichen Tyrannen. Statt deine Zeit damit zu verschwenden, Sadhus und Swamis schmähliche Niederlagen zu bereiten, solltest du besser versuchen, Herr über dein Ego zu werden. Wisse: die einzig wertvolle Kraft kommt von Gott, der durch dich wirkt, und der einzig sinnvolle Sieg ist derjenige über deine schlechten Eigenschaften."
Da verbeugte sich der Schlangenbeschwörer vor dem göttlicher Meister: "Barmherziger, mit Deinem Segen werde ich mein Verhalten von Grund auf ändern."
In den Kreisen der Schlangenbeschwörer verbreitete sich schnell die Kunde von dieser Tat, und seit damals verehren diese Sri Devpuriji als ihren Schutzherren. Bis auf den heutigen Tag bringen sie ihre Söhne zur Segnung in den Ashram zu Kailash, bevor jene das Handwerk der Schlangenbeschwörung erlernen.
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