Das erste Wunder
In Mount Abu befand sich ein Posten der britischen Kolonialregierung, dessen diensthabender Beamter seit jeher den Hindus gegenüber eine sehr feindliche Einstellung bewiesen hatte. Hier kam es zu der ersten Begebenheit, bei der Sri Devpuriji in der Öffentlichkeit erschien.
Eines Abends ging der britische Beamte am Ufer des Nakki-Sees spazieren und kam am Sri Duleshwar Shiva-Tempel, zur Zeit des Abendgebets, vorbei. Aus dem Tempel erklangen Lieder und der Klang von Trommeln, Glöckchen und Zimbeln drang nach draußen.
Diese ihm fremdartigen Klänge waren dem Beamten verhaßt, und so betrat er zornig den Tempel und unterbrach die Feier.
"Was macht ihr einen derart unerträglich aufdringlichen Lärm?" herrschte er die Priester an. "Ist euer Gott denn taub oder schläft er, so daß ihr ihn aufwecken müßt? Ihr stört die friedliche Ruhe des ganzen Ortes, weshalb ich euch befehle, dieses Spektakel sofort zu beenden. Will euer Gott wirklich solche Musik hören, so soll er doch gefälligst selbst zu mir kommen und mich um Erlaubnis bitten. Wer in Zukunft gegen diesen Erlaß verstößt und ohne meine persönliche Gewährung diese Instrumente spielt, wird verhaftet!"
Nicht genug damit, zur Unterstreichung der Ernsthaftigkeit seiner Androhung ließ er einige der Brahmanen festnehmen.
Die Priester und Sadhus befürchteten zu Recht, daß dies das Ende ihrer freien Religionsausübung bedeute. Es war keineswegs ratsam, sich gegen einen britischen Offizier aufzulehnen, und so begannen sie in ihrer Verzweiflung, zu fasten und beteten Tag und Nacht zu Gott Shiva, auf daß er erscheinen möge und den Offizier zur Aufhebung des Verbots und zur Freilassung der Brahmanen veranlasse.
Der Beamte erhielt Kenntnis von dieser Art des Widerstands und beschloß nun, den verhaßten Sadhus mit Gift den Garaus zu machen. Zu diesem Zweck ließ er einige Flaschen Salpetersäure beschaffen und in sein Haus bringen.
Über all diesen Ereignissen weilte Sri Devpuriji Mahadev zurückgezogen in den dichten Wäldern des Abu-Gebirges; nur manchmal, indem er seine Kühe hütete, bekam ihn jemand kurz zu Gesicht.
Sein transzendentes Bewußtsein, allumspannend, nahm die verzweifelten Rufe der Sadhus und Priester wahr, und so beschloß er, um seinen Ergebenen zu helfen, dem tyrannischen Beamten die Gegenwart Gott Shivas zu offenbaren. Sogleich versetzte sich der große Yogi vor das Haus des britischen Offiziers und rief laut und vernehmlich:
"Siehe, hier steht ein Sadhu, der gekommen ist, das Gift zu trinken, das du für die Hindupriester und Brahmanen angeschafft hast."
Der Beamte war zuerst tief beunruhigt über diese unerklärliche Aufforderung, hieß aber dann einen Diener, eine Flasche mit der Säure zu bringen, in der Annahme, es handle sich bei dem unerschrockenen Mönch um den Anführer der rebellischen Priester.
Sri Devpuriji leerte die Flasche in einem Zug, und das Gift zeigte keinerlei Wirkung. Er sagte zu dem Offizier:
"Wie du siehst, bin ich noch am Leben. Hast du noch weitere solcher Flaschen? Wenn ja, dann laß sie herbeischaffen!"
Es wurden noch sechs Flaschen gebracht, die Sri Devpuriji der Reihe nach austrank. Der Offizier und alle weiteren Anwesenden standen sprachlos vor Staunen und vermochten ihren Augen nicht zu trauen. Schießlich zerbrach Sri Devpuriji alle sieben Flaschen und verschluckte die Scherben. Dann legte er sich auf den Boden und sammelte seinen Atem im Brahma Randhra[1]. Sein Pulsschlag waren nicht mehr wahrnehmbar, und der Beamte schloß daraus erleichtert, daß das Gift nun doch seine Wirkung getan hatte, und der Sadhu endlich tot war. Er rief einige Diener, um den leblosen Körper fortschaffen zu lassen.
Augenblicklich jedoch setzte Sri Devpuriji sich auf und fragte lächelnd:
"Was denkt ihr denn? Ich bin ganz lebendig und habe mich lediglich ein wenig ausgeruht."
Er zeigte sich nun in seiner wahren göttlichen Gestalt, ergriff den erschrockenen Beamten und trug ihn zum Ufer des Nakki-Sees. Dort schritt er, indem er ihn im Wasser hinter sich herzog, über die Wellen als handle es sich um festes Land.
Weit draußen, über der tiefsten Stelle des Sees, hielt er an und fragte den armselig zitternden Offizier:
"Wie ich hörte hast du einige Anliegen an Gott Shiva persönlich. Nun sollst du die Gelegenheit haben, sie vorzubringen - denn wahrlich, er steht hier vor dir!"
Voller Angst begann der Offizier zu beten:
"Sri Devapurisa Mahadeva, rette mich!"
Fünfmal sprach er dies Mantra, da nickte Sri Devpuriji gnädig:
"Du hast das rechte Wort gefunden. Dieses Mantra rettet dich aus dem Ozean der Welt - aus dem Meer von Leid und Schmerzen."
Durch diese barmherzigen Worte neuen Mut fassend, wiederholte der Offizier ununterbrochen das Mantra. Indem ihn die Lotushände des göttlichen Meisters berührten, wurde er im selben Augenblick geläutert. Eine umwälzende Veränderung fand in ihm statt, und sein Geist wurde von reinen, hochherzigen Gedanken erfüllt.
Mit gefalteten Händen erbat er Sri Devpurijis Segen und sprach:
"Herr, schenke uns Deine Gnade. Wir Menschen der westlichen Welt besitzen Bildung, Wissenschaft und Kunst in aller Vielfalt; wir verfügen über Nahrung und Geld in Überfluß, doch fehlt uns der wahre Yoga: es mangelt uns an Weisheit, Wissen von Gott und innerem Frieden. Darum bitte ich Dich, daß Du auch uns durch Deine Anwesenheit segnen und Deine Lehre und Gnade gewähren mögest."
Sri Devpuriji, der stets alle wahren Wünsche seiner Ergebenen erfüllt, antwortete:
"Deine Bitte sei dir gewährt."
Er verkündete ihm, daß Gott selbst in der Gestalt von Bhagwan Sri Deep Narayan Mahaprabhuji auf Erden erscheinen werde.
"Bald danach wird eine große erleuchtete Seele aus Satya Loka zu den Menschen gesandt und in der ganzen Welt die Botschaft des Friedens und die göttlichen Lehre von Vishwa Deep verkünden. Ich selbst werde sie stets in Form von Segen und Licht begleiten. Der Glanz von Vishwa Deep, dem universalen göttlichen Licht, erfüllt den gesamten Kosmos. Dieser Heilige, sein Gesandter, ist ein Teil von Ihm. Durch ihn werden alle, die ihm ergeben sind, von Unwissenheit und Täuschung befreit, um Erleuchtung und inneren Frieden zu erlangen."
Nachdem Sri Devpuriji dem Offizier seinen Segen erteilt hatte, brachte er ihn zum Ufer zurück.
Sofort gab der Offizier Anweisung, alle Priester und Brahmanen aus dem Gefängnis zu entlassen, bat sie um Vergebung für das an ihnen begangene Unrecht und beschenkte sie reichlich.
Tausende von Gläubigen hatten sich inzwischen um den Nakki-See versammelt. Sie alle priesen Gott Shiva, den Herrn des Kailash und waren überglücklich bei seinem Anblick. Jeder versuchte, in die Nähe Yogiraj[2] Sri Devpurijis zu kommen, doch verschwand dieser ebenso plötzlich wie er erschienen, nachdem er alle durch seine Anwesenheit gesegnet hatte.
Die Nachricht von diesem Wunder verbreitete sich sehr schnell, und die Menschen fühlten sich bestärkt mit dem Wissen, daß der gütige Gott ihre Gebete erhört und ihnen einen göttlichen Beschützer zugesandt hatte. Es mag in Indien große materielle Armut geben - umso reicher ist das Volk in seiner Spiritualität und umso stärker im Glauben an Gott. Fest ist der Glaube der Menschen daran, daß Gott über allem wacht und in seiner unerschöpflichen Gnade ihnen allen Hilfe bringt.
Diese Begebenheit wurde mir von alten Sadhus und Brahmanen am Berg Abu und auch von Mahaprabhuji selbst erzählt.
[1]Brahma Randhra = Sahasrar Chakra
[2]Yogiraj = "König der Yogis"; Beiname Gott Shivas
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