Schlichtung eines Streits zwischen Moslems und Hindus
In Pushkar erhob sich wieder einmal ein Streit zwischen Hindus und Moslems - wie es leider des öfteren geschah. In diesem Ort, dem "Guru der Pilgerorte", wurde der einzige Brahmatempel der Welt errichtet, und unzählige Hindus pilgern jedes Jahr dorthin. Und nur etwa sieben Kilometer entfernt davon befindet sich in Ajmer ein berühmtes Heiligtum der Moslems, die Darga. So läßt sich ein Aufeinandertreffen der beiden religiösen Gruppen kaum vermeiden.
Wo die frommen Empfindungen am intensivsten sind, erheben sich leider oft auch die religiösen Auseinandersetzungen.
Da Mahaprabhuji, der von Moslems und Hindus gleichermaßen respektiert und verehrt wurde, eben zu diesem Zeitpunkt in Pushkar weilte, beschlossen die Streitenden, ihn um Vermittlung zu bitten.
Alle wahrhaft Gläubigen, gleich welcher Nationalität und Religion, anerkannten Mahaprabhuji, der ihnen allen die gleiche göttliche Liebe zuteil werden ließ. Sein Licht leuchtete allen Lebewesen.
Die Pilger begaben sich also zu ihm und verteidigten in lautstarker Erregung ihre verschiedenen Standpunkte. Die Hand zur Ruhe erhebend, mahnte Mahaprabhuji sie mit einem Mal eindringlich:
"Brüder, welche Unruhe bringt ihr hierher! Euer Streit ist sinnlos. Ihr seid im Irrtum, wenn ihr glaubt, Feinde zu sein, indem ihr verschiedenen Religionen angehört. Statt dessen solltet ihr einander wie Brüder zu lieben: denn ihr alle seid Kinder des einen göttlichen Vaters. Gott lebt im Herzen aller Lebewesen. Ob Moslem, Hindu, Buddhist, Jaina oder Christ - wer seinen Glauben in diesem Dasein verwirklicht, kommt zu Gott."
Und er sang für sie diesen Bhajan:
SUNJO HINDU OR MUSHALA RE
Hört zu, ihr Hindus und Moslems!
Streit bringt keine Lösung,
nie wird eine Seite dabei gewinnen.
Die Hindus entfernten sich von Gott Rama;
die Moslems von Allah. Beide kamen vom rechten Wege ab.
ER ist Rama, ER ist Allah, ER ist Gott !
So lehren es die Heiligen.
Die Menschen aber wollen nicht verstehen,
weiterhin bekämpfen sie einander.
Mögen die Moslems nach Mekka pilgern
und die Hindus ihr Bad im Ganges nehmen;
mag der Pandit die Veden studieren
und der Kaji[1] die Sprüche des Koran zitieren
- ohne Erkenntnis der Wahrheit bleibt all ihr Tun fruchtlos.
Nur ein Verwirklichter, sei er nun Moslem oder Hindu,
vermag die Einheit in der Vielheit zu erkennen.
Dies verkündet Swami Deep,
Gesandter der unendlichen Allgegenwart.
Dieses Lied, dessen poetischer Ausdruck nur in der Originalsprache Hindi wirklich zum Tragen kommt, drang in die Herzen der streitenden Pilger als Funke der Erkenntnis ihrer Einheit in Gott und versöhnte sie.
Mahaprabhuji besuchte nur selten Tempel. Von den Pilgern befragt, warum er nicht öfter im Tempel bete, erklärte Mahaprabhuji:
"Statuen, Bilder, Kirchen, Moscheen und Tempel dienen nur als Objekte der Inspiration. In Wirklichkeit ist Gott in euch. Euer Körper ist der wahre Tempel der göttlichen Liebe. Das Gotteshaus ist nur ein Symbol, das euch die innere Wahrheit vor Augen halten will, und ihr sollt es nicht mit der Wirklichkeit verwechseln.
MERA DEVARA ME DEVA BAHAR NAHI BHATKUN
Die Wohnstatt Gottes ist in meinem inneren Tempel.
Ich brauche nicht in der Ferne zu suchen.
Das Göttliche ist in mir.
Ich falle der Täuschung nicht mehr anheim.
ER ist weder in Kashi noch in Mathura,
sondern in meinem Herzen.
Dies erkennt nur der Weise -
der Unwissende begreift es nicht.
ER ist nicht in Prayag, auch nicht in Haridwar.[2]
Im Ganges zu baden bringt keine Erlösung.
Allein Wissen befreit.
Ich kenne mein inneres Selbst,
denn zerrissen ist der Schleier der Illusion.
Weder Karma noch Schicksal können mich berühren.
Der Satguru hat den Schwan meiner Seele erweckt und befreit.
Er war es, der den letzten Schleier entfernte.
Swami Deep sagt:
Mein verehrter Guru, Bhagwan Sri Devpuriji,
enthüllte mir das Göttliche Selbst,
darin fand ich Verwirklichung und inneren Frieden.
"Mahaprabhuji, Du selbst bist Tempel und Pilgerort", bekannten sie. "Deine Anwesenheit hat unsere Unwissenheit entfernt." Da fragte Mahaprabhuji sie: "Warum sucht ihr Tempel auf, um Gott zu erfahren? Gott ist immer mit euch. Hört zu:
TERA DEVARA ME DEVA BAHAR MATA DOLE
Gott lebt in eurem inneren Tempel, sucht Ihn nicht außerhalb!
Im winzigen Senfkorn liegt der Berg verborgen.
Gott ist allgegenwärtig, wie Feuer im Holz und Öl im Sesamsamen.
Der Satguru offenbart die Wirklichkeit Gottes.
Folget seinen Worten.
Wie der Moschushirsch in den Wäldern vergebens
die Quelle seines eigenen Duftes sucht,
so irrt die ganze Menschheit umher.
Die Illusion kann nur der durchschauen,
der dem Satguru begegnet.
Der Satsang ist der Weg zu Glück
- die dorthin gehen liebt der Herr -,
er befreit von Karma und Unwissenheit.
Der Fluß des Wissens entfernt jede Unreinheit.
Die Heiligen sind Verkörperungen Gottes;
sie führen den Suchenden über den Ozean der Welt,
und öffnen in ihm das Auge des Wissens.
Mahaprabhuji sagt: Nichts gehört dir.
Halte dich an die Wahrheit und besinne dich auf Gott! "
Dankbar nahmen die Pilger dieses Lied auf. Sie verbeugten sich ehrfurchtsvoll vor Gurudeva und kehrten in Frieden nach Hause zurück.
Wo immer Mahaprabhuji weilte, scharten sich zahlreiche Menschen um ihn, gleich den Bienen, die es zum Nektar zieht. Sie liebten die Art, wie er lehrte und wie er lebte. Seine Taten und Worte waren einfach, und intuitiv erfaßten alle die ihnen innewohnende Klarheit, Weisheit und tiefe Spiritualität. Jeder fühlte die Reinheit und Aufrichtigkeit, mit der er die Menschen zur Erfahrung der Wahrheit, und nicht zu blindem Glauben, führen wollte. Er machte keine Unterschiede zwischen den Angehörigen verschiedener Nationalitäten und Religionen. Daher wurden geistig Suchende aller sozialen Schichten und Glaubensrichtungen von ihm angezogen.
[1]Pandit = Gelehrter, Priester; Kaji = moslemischer Schriftgelehrter
[2]Kashi, Mathura, Prayag, Haridwar sind vier der bedeutendsten Wallfahrtsorte der Hindus.
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