Befreiung einer Schlange
Als er gerade einen Satsang im Ashram zu Khatu hielt, sprach Mahaprabhuji plötzlich lächelnd zu sich selbst:
"Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem das schlechte Karma dieses Wesens vorbei ist - nun soll es erlöst werden!"
Keiner der Anwesenden wußte, wovon er sprach. Die Fragen aber beantwortete Mahaprabhuji, indem er mit der Hand zu den nahen Hügeln wies und sagte:
"In diesen Bergen ist eine uralte Schlange zuhause. Sie verläßt soeben ihre Höhle, um hierherzukommen. Bald wird sie da sein, und ich werde sie befreien."
Da meinte einer der Schüler:
"Mahaprabhuji, wenn Du es erlaubst, werde ich sie mit meinem Stock 'erlösen'."
Mahaprabhuji aber sagte:
"Ich will diese Schlange nicht einfach töten; ich werde die in ihrem Körper eingeschlossene Seele befreien, denn jetzt endlich ist die Stunde ihrer Erlösung gekommen."
Während sie noch so sprachen, war plötzlich ein heiserer Laut zu vernehmen, wie von einem Wasserbüffel - die Schlange erschien. Rundherum sprangen alle auf, als das ungefähr zwei Meter lange, gefährlich aussehende Tier sich durch den Sand auf sie zubewegte. Einige versuchten, es mit Stöcken zurückzudrängen, doch ließ es sich durch niemanden aufhalten und kroch geradewegs auf Mahaprabhuji zu. Vor ihm machte die Schlange halt, richtete ihren Kopf auf und blickte in fast menschlich anmutender Weise zu ihm empor. Mahaprabhuji machte das Zeichen des Segens über ihrem Kopf und sprach:
"Dein Karma ist nun beendet - du sollst befreit sein."
Indem er so sprach, besprengte er sie mit etwas Wasser und sang dreimal OM. Sowie die Wassertropfen sie berührten, ließ auch die Schlange einen Laut ertönen, der klang wie OM, und verließ ihre irdische Hülle.
Mahaprabhuji ordnete an, die Schlange, ganz wie es beim Tod eines Menschen üblich ist, mit den vorgeschriebenen Zeremonien in der Erde zu bestatten.
Um die Neugier seiner Schüler zu befriedigen, erklärte Mahaprabhuji:
"Die Seele, die im Körper dieser Schlange wohnte, war in ihrem vorigen Leben als Mensch inkarniert gewesen. Dieser lebte als Schüler bei seinem Guru; leider war seine Natur beherrscht von Rajas Guna - von Aggressivität und heftigen Emotionen also. So beschimpfte er in seinem Jähzorn einmal seinen Meister. Nicht der Meister verurteilte ihn; das Karma jedoch, das er sich durch seine Tat geschaffen hatte, verursachte seine Wiedergeburt in Form einer Schlange. Hundert Jahre lang hatte er die Folgen seines Karmas in dieser niederen Lebensform zu ertragen. Nun war die Zeit seiner Erlösung gekommen, und heute wurde er befreit.
Möge euch dies als Lehre dienen: Lernt Selbstbeherrschung und laßt euch nie vom Zorn zu unbedachten Worten und Taten hinreißen! - Nichts gehört euch, haltet euch an die Wahrheit und besinnt euch stets auf Gott."
Nächstes Kapitel: Herr der Barmherzigkeit, sage mir, was ich tun soll!
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